Freitag, 17. Mai 2013

Schüchtern, hochsensibel oder introvertiert? Zum Glück!

Man mag es kaum glauben, aber Schüchternheit, Introversion und Hochsensibilität sind nicht dasselbe. Eine Person kann gleichzeitig schüchtern, introvertiert und hochsensibel sein. Muss aber nicht. Und weder das eine, noch die anderen beiden verdammen einen zu einem Leben in Elend. Auch wenn es vielleicht schwieriger ist, sich zufrieden und ausgeglichen zu fühlen. Aber es geht! Nicht trotzdem, sondern auch deswegen :)

Aber der Reihe nach! Zerpflücken wir doch erstmal die drei Begriffe nach ihrem Inhalt...

  • Schüchternheit beschreibt eine gewisse Ängstlichkeit im Umgang mit sozialen Situationen. Alles, was mit Befürchtungen und negativen Gedanken in Bezug auf soziale Situationen zu tun hat ("XY könnte was Schlechtes von mir denken"), fällt unter den Zuständigkeitsbereich der Schüchternheit. Schüchterne sind die, die knallrot anlaufen, wenn sie vor anderen sprechen sollen.
  • Hochsensibilität bedeutet, dass das Nervensystem deutlich stärker auf äußere und innere Reize reagiert als beim Durchschnitt. Hochsensible sind die ersten, die sich die Ohren zuhalten, wenn ein Krankenwagen mit Sirene vorbeifährt. Die ersten, die sich die Jacke ausziehen, wenn es wärmer wird, und die ersten, die sie wieder anziehen, wenn es kälter wird.
  • Introversion heißt, dass sich im Inneren mehr abspielt als im Äußeren, dass das Gehirn mehr damit zu tun hat, Informationen zu verarbeiten, zu strukturieren und zu reflektieren. Introvertierte sind die, die sich lieber mit einem Buch verkrümeln als auf eine Party zu gehen. Die erstmal überlegen müssen, bevor sie eine Antwort vorbringen, die dann möglicherweise deutlich umfangreicher und komplexer ausfällt, als der Fragende es eigentlich wollte ;)

Man kann das schnell durcheinanderbringen, zumal sowohl schüchterne, hochsensible als auch introvertierte Menschen eins gemeinsam haben: Sie sind gerne für sich allein. Aber aus unterschiedlichen Gründen: Der Schüchterne verspürt weniger Angst als in Gesellschaft, der Hochsensible schätzt die Ruhe, weil ihm Menschen schnell mal zu laut werden und der Introvertierte braucht die Zeit alleine, um sich zu sortieren und seine Batterien wieder aufzuladen. Und es gibt eben auch schüchterne Menschen, die weder hochsensibel noch introvertiert sind. Und hochsensible, die extrovertiert sind und keine Angst vor der Bewertung anderer haben. Und introvertierte, die weder hochsensibel noch schüchtern sind, sondern einfach gern für sich alleine sind. Aber es gibt auch Leute, die alle drei Eigenschaften haben.

Wichtig finde ich, sich klarzumachen, dass diese drei Dinge Eigenschaften sind. Und Eigenschaften beschreiben nie die gesamte Persönlichkeit, sondern eine Tendenz, in bestimmten Situationen ein bestimmtes Verhalten zu zeigen. Und alle drei Eigenschaften sind Endpunkte eines Kontinuums, auf dem sich irgendwo alle Menschen ansiedeln. Wenn man also sagt: "Er ist schüchtern", dann heißt das im Klartext, dass er mehr schüchternes als selbstsicheres Verhalten zeigt. Aber es ist heißt nicht, dass das seine gesamte Persönlichkeit ist und dass er gar nicht anders kann, als sich schüchtern zu verhalten. Auch schüchterne Menschen können sehr wohl selbstsicher auftreten, nämlich wenn sie sich in einer Gemeinschaft akzeptiert fühlen. Und auch selbstsichere Menschen erleben ihre schüchternen Momente, z.B. wenn sie auf einmal vor der Person ihrer Träume stehen und kein Wort herausbringen. Auch eher introvertierte Menschen wollen mal ein großes Fest. Und auch mehr extrovertierte wollen mal Zeit für sich, um nachzudenken. Auch Hochsensible haben ihre unsensiblen Momente, oder Tage, an denen ihnen die Außenwelt weniger laut und grell vorkommt. Es gibt also nicht nur schwarz oder weiß, wir und die anderen, sondern wir sitzen lediglich an verschiedenen Stellen ein und desselben Kontinuums und beherrschen alle darauf befindlichen Verhaltensweisen. Es gibt entsprechend auch viele in der Mitte, also 50/50-Leute, die gar nicht genau sagen können, ob sie eher introveriert oder extrovertiert, sensibel oder nicht, schüchtern oder selbstsicher sind.

Und: Alles hat Vor- und Nachteile. Bei Hochsensibilität sind die Vorteile vielleicht noch am einfachsten zu erkennen, aber der Begriff an sich ist auch recht wertfrei gewählt. Würde ich "Überempfindlichkeit" sagen, wäre es schon deutlich schwieriger, das Positive daran zu sehen. Was soll auch toll daran sein, überempfindlich zu reagieren? Der Vorteil ist, dass man auch Details wahrnehmen kann, die anderen vielleicht verborgen bleiben. Man kann Stimmungen anderer erspüren und sich dadurch gut in sie hineinfühlen. Man kriegt einfach, platt gesagt, mehr mit. Der Nachteil ist entsprechend, dass es einem schnell zu viel wird, und man sich in Situation reizüberflutet fühlt, in denen weniger sensible Menschen gerade mal merken, dass sie noch am Leben sind ;)

Der Vorteil der Introversion ist, dass man zu einem tieferen und reflektierteren Verständnis von sich und seiner Umwelt kommt, und dass man die Außenwelt nicht so sehr braucht, um Spaß zu haben. Ein introvertierter Mensch hat bereits viel Freude daran, seine Ruhe zu haben und seinen Gedanken nachhängen zu können. Der Nachteil ist auch hier, dass es einem schnell zu viel wird, wenn man permanent mit Außenreizen konfrontiert ist und keine Zeit für sich hat, diese zu verarbeiten. Dieser Comic bringt es auf den Punkt, was Introvertierte ausmacht: Sie brauchen einfach ab und zu ihre Ruhe. Nicht mehr und nicht weniger.

Tja, und der Vorteil der Schüchternheit? Schüchterne Menschen verhalten sich meist zurückhaltend. Und Zurückhaltung gibt dem Gegenüber Raum, so dass dieser sich frei entfalten kann. Das wird von vielen Menschen durchaus positiv bewertet! In manchen, vor allem sozialen Berufen ist anfängliche Zurückhaltung sogar ein Plus. Und Schüchternheit kann auch sehr sympathisch wirken, wie Ferkel und die weiße Mieze das hier super demonstrieren ;) Der Nachteil ist natürlich, dass man sich schnell mal selbst blockiert und sich in seinen Ängsten verlieren kann.

Es geht also überhaupt nicht darum, anders zu werden oder so, wie man ist, nicht richtig zu sein. Es ist gut, dass es die Vielfalt gibt, denn ich glaube, die Menschheit profitiert davon, dass wir alle so unterschiedlich sind. We come in many different shapes and sizes :) Es geht mehr darum, diese Vielfalt zu schätzen und sich selbst als Teil dieser Vielfalt zu schätzen und entsprechend seiner Bedürfnisse zu leben. Man muss beispielsweise seine Schüchternheit nicht überwinden und "aus sich rausgehen", man kann auch damit leben und trotzdem das tun, was man gerne möchte - auf seine eigene schüchterne Art und Weise. Es ist gut, wenn tendenziell Schüchterne, Introvertierte und Hochsensible sich erlauben, so zu sein, wie sie sind, sich Raum zum Rückzug geben, aber auch ihre Ziele im Auge behalten und in kleinen Schritten vorwärts gehen und sich wohldosiert mit der Außenwelt konfrontieren. Und die Außenwelt mit sich, die kann dadurch nämlich auch noch was lernen ;) So können auch sie, genau so, wie sie gerade eben sind, ein zufriedenes Leben führen.

... sagt eine, die ordentlich introvertiert, ziemlich sensibel und ganz schön schüchtern ist (und trotzdem manchmal die Lauteste von allen) :)

1 Kommentar:

  1. ...das beschreibt mich perfekt....
    schüchtern, hochsensibel und introvertiert
    Fühlte mich oft unverstanden und als Aussenseiter, bis ich endlich über Hochsensibilität "gestolpert" bin und viel darüber gelesen habe. Es war eine Offenbarung. :) Seither komme ich super klar und kann auch meinem Umfeld mal erklären warum ich so bin, wie ich bin.

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