Freitag, 24. Oktober 2014

Sag mal danke!

Lange hat es gedauert, doch nun kommt endlich der heißersehnte Post zum Thema Bitte und Danke sagen. Ich dachte irgendwie, dass ich ihn schon veröffentlicht hatte. Des Rätsels Lösung war, dass ich ihn bereits vorverfasst hatte und damit dachte, ich hätte ihn schon veröffentlicht. Aber jetzt! :)

Ich will dabei betonen: Es geht mir nicht ausschließlich um den Umgang mit Kindern, sondern auch, wie wir Erwachsenen miteinander umgehen. Und meine Maxime dabei sind einerseits Klarheit (etwas genau so sagen, wie ich es meine und empfinde), Persönlichkeit (von mir sprechen, dem anderen sagen, was ich von ihm will) und Aufrichtigkeit (meine Ziele und Motive nicht hinter Nettigkeiten verstecken). Aber es ist mir auch wichtig, dass wir gut miteinander auskommen. Und dazwischen eine Balance zu finden, das ist die große Kunst, glaube ich. Ich halte bitten können und dankbar sein für positive Werte, weil sie eine gelassene, bescheidene Haltung repräsentieren und damit entspanntes Leben und Miteinander fördern können.

Ich höre öfter mal Erwachsene - zum Teil recht streng - zu ihren Kindern sagen: "Sag mal danke". Oder: "Was sagt man da?" Oder: "Wie heißt das Zauberwort?" Insgeheim möchte ich dann jedes Kind dazu anfeuern, eine möglichst trocken-spitzfindige Antwort zu geben, a la: "Sag du es mir, du bist doch der Erwachsene." Oder: "Simsalabim?" :D

Aber natürlich sagen Eltern sowas nicht, um ihren Nachwuchs zu piesacken. Ihnen ist es offenbar sehr wichtig, dass ihre Kinder lernen, bitte und danke zu sagen. Da fragt man sich: Was könnte dahinter stecken? Ich glaube, dass Eltern wollen, dass ihre Kinder sich anderen gegenüber höflich verhalten, damit diese (also die Kinder) im sozialen Miteinander akzeptiert zu werden. Und ich kann mir vorstellen, dass sie (die Eltern) manchmal auch vor anderen nicht als schlechte Eltern dastehen wollen, wenn ihr Kind nicht bitte und danke sagt. Ich finde beides anerkennenswert, denn es bedeutet, dass Eltern das Beste für ihre Kinder und für sich wollen.

Und warum sage ich eigentlich Bitte und Danke? Nun ja... Ich habe es so gelernt, dass man das eben so sagt, wenn man etwas will und etwas bekommt. Ich sage also auch bitte und danke, um als höflich wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Die Erziehung hat also bei mir gefruchtet, ich habe Bitte- und Danke-Automatismen entwickelt, juhuu! ;)

So weit, so gut. Aber was stört mich an der allgemeinen Bitte- und Danke-Kultur? Nun, bezogen auf meine Maxime heißt das, dass das Ganze schnell etwas Floskelhaftes, nur so dahin Gesagtes bekommen kann. Klarheit, Persönlichkeit und Aufrichtigkeit werden zugunsten des Miteinanderauskommens verwässert. Denn bitte ich tatsächlich immer um etwas, wenn ich „bitte“ sage? Fühle ich mich wirklich immer dankbar, wenn ich „danke“ sage?

Eine Bitte im Wortsinn ist etwas dann, wenn ich auch damit klarkomme, wenn sie mir abgeschlagen wird. Denn es heißt ja bitten und nicht fordern. Ich finde Fordern nicht grundsätzlich falsch, denn es bedeutet, dass man an eine Grenze geraten ist und diese dem anderen mitteilt (dazu gleich mehr). Wenn die Forderung jedoch als Bitte verschleiert wird, kann es passieren, dass mein Gegenüber aus allen Wolken fällt, wenn ich ihm Vorwürfe mache, nachdem er und sie Nein gesagt hat. Also: Eine Bitte ist dann eine Bitte, wenn sie ein Nein verträgt. Manchmal wird das Wort "bitte" übrigens gezielt als Unterstreichung der Forderung verwendet: "Würdest du BITTE endlich mal deine Schuhe wegräumen?!" ;) Eine echte Forderung klingt eher so: "Ich will (ich will es, ich bitte nicht darum), dass du jetzt sofort deine Schuhe wegräumst!" Da ist dann jedem klar: Hier ist die Kacke bereits am Dampfen.

Welche Möglichkeit hat man, vom Fordern zum Bitten zu kommen? Und ich meine damit keine rein sprachlichen Kniffe, sondern beziehe mich auf die innere Haltung. Nun, je mehr man Verantwortung für sich selbst übernimmt, desto weniger muss man von seinen Mitmenschen fordern, und desto mehr kann man bitten und ein Nein akzeptieren. Aber das ist gar nicht immer so einfach! Was vielleicht helfen kann, ist sehen zu lernen, welche Handlungsmöglichkeiten man in einer bestimmten Situation hat.

Ganz klassisches Beispiel in diesem Fall: Der Haushalt und wer was macht. Wieviel Stress und Streit gibt es um dieses Thema und wie viele Beziehung sind dadurch schon in die Brüche gegangen! Oft ist es so, dass einer den Eindruck hat, fast alles alleine zu machen, während der andere keinen Finger krumm macht. Man versucht es mit (falschen) Bitten, Nörgeln, Jammern, Schimpfen... Eins ist klar: Mit den letzten drei Varianten entsteht beim anderen wahrscheinlich keine positive Motivation, nur Druck (da sind wir dann wieder bei der Strafe: keine Einsicht, sondern Unterordnung oder Rebellion/passiver Widerstand). Aber wie ich gesagt habe, eine Bitte ist es nur dann, wenn ich ein Nein akzeptieren kann. Und das fällt leichter, wenn man die Verantwortung für sich übernimmt und seine Handlungsalternativen kennt. Grundsätzlich ist eine Beziehung immer ein System, so dass an einem Problem immer beide Anteil haben (einer will nicht alleine putzen, der andere beteiligt sich nicht). Das bedeutet aber auch, dass beide etwas dazu beitragen können, das Problem zu lösen. Man muss also nicht notwendigerweise darauf warten, dass der passive Partner in die Gänge kommt. Und letztlich ist es auch erstmal mein Gefühl und der andere ist dafür nicht zuständig, dass ich mich gut fühle. Das heißt nicht, dass ich Schuld habe, sondern vielmehr, dass ich nicht ohnmächtig bin! Los, Brainstorming, welche Optionen man hat, ohne dass andere irgendwas an seinem Verhalten ändert, 30 Stück!

Man könnte:
1. beschließen, den Haushalt bewusst alleine zu machen, so viel wie man schafft, der Rest bleibt liegen (Stichwort: Perfektionismus)
2. sich ein Putzsystem aneignen (z.B. Flylady)
3. sich eine Haushaltshilfe holen
4. ausmisten, um weniger Arbeit zu haben
5. in eine kleinere Wohnung umziehen, um weniger Arbeit zu haben
6. getrennte Wohnungen nehmen
7. sich trennen
8. weniger arbeiten, um mehr Zeit zum Putzen zu haben (mein persönlicher Favorit! :D)
9. mehr Zeit draußen verbringen, um den Dreck drinnen nicht so zu sehen (man macht auch automatisch weniger Dreck, wenn man weniger zuhause ist, außerdem ist frische Luft gesund und man entspannt)

Okay, die restlichen 21 Handlungsalternativen müsst ihr beisteuern, aber vielleicht hilft das schon mal zu erkennen, dass man nicht darauf angewiesen ist, dass der andere kooperiert. Natürlich sind nicht alle Optionen gleichermaßen praktikabel oder angenehm, aber vielleicht hilft schon das Wissen um sie, dass man eine echte Bitte formulieren und ein Nein besser akzeptieren kann. Denn der andere hat ein Recht auf sein Nein. Es kann aber auch ungeahnte Energien freisetzen, wenn der andere merkt, dass er kann, wenn er möchte, und nicht muss. Ein freundliches und ergebnisoffenes: „Hilfst du mir bitte mal in der Küche?“ wirkt ganz anders als ein wütendes: „Immer muss ich hier alles alleine machen und du liegst auf dem Sofa und es geht dich nichts an!“ (Sowas höre ich mich aber auch manchmal sagen *hust*) Aber wie gesagt: Es geht mir nicht darum, lediglich anders zu reden, sondern die Veränderung auch innerlich zu vollziehen.

Nun zum Dank. Damit verbunden ist das Gefühl der Dankbarkeit. Und das persönlich halte ich für ausschlaggebend: Empfinde ich wirklich Dankbarkeit, wenn ich etwas bekomme? Dann ist ein Danke sicher angebracht. Oder bin ich einfach nur froh und erleichtert, endlich etwas bekommen zu haben? Dann könnte ich sagen: "Ich freue mich." Oder: "Was bin ich froh/erleichtert." Oder wähnte ich mich eh schon die ganze Zeit im Recht? Dann wäre vielleicht ein: "Na endlich!" angemessen ;) Oder will ich die Erwartungen des anderen erfüllen, weil ich weiß oder glaube, dass er auf ein Danke lauert, obwohl ich über die zehnte Bleikristallvase von Tante Erna eher ärgere? Dann kann ich mich fragen, ob es tatsächlich mein Wunsch ist, Tante Erna zu bestätigen, und ob ich mit dem Preis, den ich dafür zahle, einverstanden bin. Ich könnte sagen: „Du, Tante Erna, ich freue mich sehr, dass du an mich gedacht hast und mir eine Freude machen wolltest. Ich mag nur wirklich keine Bleikristallvasen, bitte schenk mir keine mehr. Stattdessen würde ich mich über mit meinen Inititialen bestickte Handtücher mehr freuen.“ ;)

Seine Dankbarkeit kann man übrigens fördern, indem man ab und zu mal innehält und überlegt, wofür man gerade wirklich dankbar ist. Gesundheit, ein guter Lebensstandard, Freunde, dass man gut geschlafen hat, wenn einem jemand hilft, dass man den Kühlschrank voller Essen hat, dass man nicht 10 km zur nächsten Wasserstelle traben muss, sondern mindestens zwei (!) Wasserhähne in der Wohnung hat, wo nahezu immer klares, sauberes Wasser rauskommt, usw. Welch ein Luxus! (Das kann natürlich auch Schuldgefühle nähren, weil andere es nicht so gut haben... finde einfach heraus, wo und wann du selbst Dankbarkeit verspürst). Und dann kommt vielleicht öfter ein echtes Danke über deine Lippen.

Und was machen wir jetzt mit den Kindern? Ich denke, da kann nur jeder selber entscheiden, wie er selbst vorgehen möchte. Ich würde meinen Kindern wohl kein Bitte und Danke antrainieren. Ich vertraue darauf, dass sie selbst entscheiden könnten, ob sie mal bitte oder danke sagen wollen. Ich würde es vorleben und dabei versuchen, möglichst authentisch zu sein (ist es eigentlich authentisch zu versuchen, authentisch zu sein? ;)): Bitten, wenn ich ein Nein akzeptieren kann. Eine Forderung formulieren, wenn ich es nicht kann. Meinen Handlungsspielraum erweitern, um mehr bitten zu können und weniger fordern zu müssen. Danke sagen, wenn ich mich wirklich dankbar fühle. Nicht danke sagen, wenn es nicht so ist. Und meine eigene Dankbarkeit fördern. Und dann das Beste hoffen... ;)

Ein aufrichtiges DANKE für eure Aufmerksamkeit :) Und BITTE, kommentiert gerne, wenn euch danach ist.

4 Kommentare:

  1. Das ist mal ein wirklich interessanter Text. Ich habe ihn eben erst einmal durchgelesen, werde ihn aber sicher nochmal lesen, da er mich grad sehr zum Nachdenken anregt.
    Danke für diesen Text (und ja, das ist so gemeint, denn ich hatte schon immer ein Problem mit Bitte und Danke und habe hierdurch mal eine ganz andere Sichtweise, als das von den Eltern eingetrichterte Verhalten, erhalten).

    LG
    Alexia

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    1. Danke für deinen Kommentar, ich freu mich sehr, wenn ich dir eine neue Perspektive eröffnen konnte :)

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  2. Ah, endlich! Danke für's veröffentlichen :D

    Bei Kindern kommt glaube ich noch ein spielerischer Aspekt hinzu - Bin grade zu Besuch bei einer Einjährigen, sie gibt mir ständig Dinge und lässt sie sich gern geben, da sag ich auch häufig bitteschön und danke, weil es sich halt so anbietet.

    Musste mich früher auch zwangsbedanken, das fand ich grässlich und finde mich bedanken heute noch total schwierig.

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    1. Aber gerne doch :) Stimmt, dieses Bitte-danke-Spiel mit kleinen Kindern ist auch eine gute Möglichkeit, bitte und danke ohne Zwang vorzuleben.

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