Donnerstag, 4. April 2013

Der Wert des Anders-Seins

Ich war letztens auf einer Tagung (haha, wie das klingt "ich war auf einer Tagung"... jetzt denkt ihr sonstwas von mir... und ich werde es nicht ändern :D), auf der es um die neusten Entwicklungen im Bereich der vorgeburtlichen Diagnostik ging. Und eine Rednerin sagte etwas, das mich sehr berührt hat. Sie sagte sinngemäß:

"Vielleicht sollten wir uns nicht immer nur fragen, wie lebenswert das Leben für behinderte Menschen ist. Sondern auch welchen Wert es für uns hat, mit den so genannten "nicht funktionierenden" Menschen zu leben. Was geben sie uns?"

Ich möchte jetzt nicht über den Sinn oder Unsinn pränataler Diagnostik sprechen. Ich habe ihre Aussage für mich in einem höheren Sinn verstanden, also nicht nur auf körperliche und geistige Einschränkungen bezogen. Sondern auf Anderssein allgemein. Genau genommen ist ja eigentlich jeder anders. Und trotzdem sind wir alle auch gleich. Wir wollen alle geliebt werden. Wir wollen Freunde haben. Und Freude. Und unsere Ruhe. Jeder in seinem individuellen Ausmaß. Wir haben alle Stärken. Und Schwächen. Jeder in seiner ureigenen, unverwechselbaren Mischung. Deswegen fällt es mir schwer, Menschen in Kategorien einzuordnen. In krank und gesund. In stark und schwach. In okay und nicht okay. "Alles ist in jedem", sagt auch Schulz von Thun.

Wir können alle voneinander lernen. Du bist jemand, der es nicht immer leicht im Leben hatte? Der vielleicht in der Schule schon hinterher hing? Dem es schwerfällt, Kontakte zu knüpfen und aufrechtzuerhalten? Der vielleicht keine Arbeit findet? Der oft müde und traurig ist? Vielleicht sogar unter Depressionen leidet? Oder schwer krank ist? Und trotzdem stehst du jeden Tag wieder auf und machst weiter. Oder jeden zweiten. Andere können von dir lernen, was es heißt, stark zu sein. Zu kämpfen. Nicht aufzugeben. Dass manches einfach länger dauert und mehr Kraft erfordert. Vielleicht bist du aber auch so verzweifelt oder kaputt, dass du gar nicht mehr kämpfen willst. Dann können andere von dir lernen, dass man manchmal einfach nicht mehr kann oder will. Dass es nicht für jedes Problem eine Lösung gibt. Dass auch das zu dem dazugehört, was wir "Leben" nennen.

Die "Kranken" können von den "Gesunden" lernen, ebenso die "Gesunden" von den "Kranken". Und wenn es nur ist, den anderen so anzunehmen, wie er ist. Und einfach füreinander da zu sein. Was manchmal das Allerschwierigste ist. Annehmen, was ist, ohne zu versuchen, es in bestimmte Normen zu pressen. Es ist nicht die eine Gruppe besser als die andere, so dass die einen zu den anderen aufschauen müssten, und die anderen zu den einen herab. Keiner ist besser oder schlechter. Nur anders. Und das ist ein Geschenk.

Deine Haare sitzen oft nicht gut, deine Nase ist irgendwie komisch? Verständlich, dass du dir wünschst, es wäre nicht so. Ich denke aber, dass du trotz deiner äußerlichen und innerlichen Unzulänglichkeiten - oder besser gesagt: AUCH deswegen - so, wie du jetzt in diesem Moment gerade bist, so vollkommen unvollkommen, dieser Welt etwas zu geben hast, etwas Einzigartiges und Unverwechselbares. Etwas, das so noch nie da war und so auch nie wiederkommen wird, ein wertvoller Beitrag zu unserer Gemeinschaft und in sich stimmig und l(i)ebenswert. Du halt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen